Flucht als Bewältigungsstrategie bei Kindern – Ursachen und Folgen

Flucht ist eine gefährliche Bewältigungsstrategie, die sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern auftritt und zu Abhängigkeiten führen kann. Es handelt sich um ein erlerntes Verhaltensmuster aus der Kindheit, das tief im Unterbewusstsein verankert ist. Wie bei Erwachsenen gibt es auch bei Kindern verschiedene Formen des Fluchtverhaltens.

In diesem Artikel möchte ich dir einen Einblick in die Ursachen und Folgen der Flucht bei Kindern geben, basierend auf meiner Erfahrung in der therapeutischen Praxis. Insbesondere werde ich darauf eingehen, wie dieses Verhalten zu Konflikten im familiären und schulischen Umfeld führen kann.

Ich glaube, dass wahre Geschichten ein echtes Verständnis für die Welt der Kinder schaffen und die Notwendigkeit innovativer Ansätze für die Arbeit mit den Ursachen und Traumata bei Kindern anregen können.

Zum Schutz der Privatsphäre wurden Namen (und auch andere Umstände) geändert. 


Eine Suche nach Verbindung und Schutz

Sophie (11) wirkte auf den ersten Blick sehr verletzlich. Sie sprach nur sehr wenig, doch im Laufe der Zeit gewann sie allmählich Vertrauen und öffnete sich mehr. Je kommunikativer sie wurde, umso mehr fiel mir auf, dass sie sich viel mit Tieren beschäftigt, über sie spricht, sie zeigt und zeichnet…

Durch die Analyse aus den Lebenskarten der Kops Method erkannten wir, wieso Tiere in Sophies Leben einen besonderen Stellenwert haben. Für Sophie stellten sie einen Fluchtweg dar, durch den sie eine Verbindung zur Außenwelt herstellt und ihr gleichzeitig einen Schutz boten. Ihre Fixierung auf Tiere war so groß, dass sie kaum Aufmerksamkeit für ihre häuslichen und schulischen Verantwortungen übrig hatte. Ihre Eltern waren verzweifelt.

Sophie absolvierte drei Sitzungen mit der Kops Methode im Zeitraum von vier Monaten. Der wichtigste Teil unserer Arbeit bestand darin, die Ursachen für ihr Verhalten und die Notwendigkeit ihrer Flucht- und Verteidigungsmuster zu finden. Nur so könnten wir die zugrundeliegenden Traumata verarbeiten und effektive Lösungsansätze entwickeln.

Die verborgenen Ursache: Eine ganzheitliche Betrachtung von Sophie’s Herausforderungen

Bereits in der ersten Sitzung wurde deutlich, dass die Fixierung auf Tiere und die Schwierigkeiten in der Schule und zu Hause nur Symptome eines tieferliegenden Problems waren.

Wir stellten fest, dass die Ursachen in den frühen Jahren ihres Lebens zu finden waren. Konflikte in der familiären Umgebung führten dazu, dass Sophie unsicher wurde und das Vertrauen in Beziehungen zu Menschen verlor. Aufgrund vom fehlenden Vertrauen und dem Bedürfnis, sich zu beschützen, verschloss sie sich in ihrer eigenen Welt.

Durch die Beziehung zu Tieren versuchte Sophie, den Stress zu kompensieren und eine emotionale Verbindung zu finden, die ihr Sicherheit und Trost bot. Später in ihrem Leben, in der Schule, sehnte sie sich nach sozialen Beziehungen zu Gleichaltrigen, die sie allerdings aufgrund ihrer Vorerfahrung nicht entwickeln konnte. Die Fixierung auf Tiere wurde noch stärker.

Leider konnte die Beziehung zu den Tieren weder das Bedürfnis nach sozialer Interaktion noch das Bedürfnis nach einer stabilen Beziehung zu ihren Eltern befriedigen. 

Um ihre eigene Hilflosigkeit zu verbergen, zeigte Sophie nach außen eine scheinbare Gelassenheit und trug eine Maske der Unabhängigkeit. Es entstand jedoch ein Teufelskreis, da sie dadurch nicht in der Lage war, Verantwortung zu übernehmen, effektiv zusammenzuarbeiten und angemessen für ihre eigenen Bedürfnisse zu sorgen.

Von Flucht zu Stärke

Indem wir uns von den oberflächlichen Symptomen wie der Fixierung auf Tiere und den schulischen Schwierigkeiten lösten, konnten wir uns auf die tiefgreifenden Probleme konzentrieren, die in der familiären Dynamik verwurzelt waren.

Es war ein schrittweiser Prozess, bei dem ich mit den Eltern zusammenarbeitete, um Konflikte zu lösen und eine sichere und unterstützende Umgebung zu schaffen. Gleichzeitig half ich Sophie Gefühle der Machtlosigkeit aus der Vergangenheit zu akzeptieren, überwinden und durch Selbstfürsorge das Gefühl von Macht und Selbstwirksamkeit entstehen zu lassen.

Im Verlauf der Therapie beobachtete ich, wie sich Sophie langsam von ihren alten Verhaltensmustern löste. Sie begann Verantwortung zu übernehmen, kooperativer zu sein und eine gesunde Balance zwischen Selbstständigkeit und zwischenmenschlichen Beziehungen zu finden. 

Nach und nach reduzierte sie ihre Fluchtmechanismen in Bezug auf die Tierwelt und begann, eine ausgewogene Balance zwischen ihren Interessen und ihren sozialen Verpflichtungen zu finden. Ihre schulischen Leistungen verbesserten sich, und sie konnte Beziehungen zu ihren Lehrern und Klassenkameraden aufbauen.


Frühzeitige Intervention: Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Zukunft für Kinder

Die Geschichte von Sophie verdeutlicht, wie wichtig es ist, die tiefgreifenden Ursachen von Auffälligkeiten gezielt anzugehen. Bei einem Kind können wir so frühzeitig erkennen, ob es die Flucht als Bewältigungsstrategie entwickelt hat, die Ausprägung dieses Mechanismus erkennen und präventive Maßnahmen ergreifen, um einer möglichen zukünftigen Suchtentwicklung vorzubeugen.

Dieser ganzheitliche Ansatz hat langfristige Auswirkungen und schützt Kinder vor einem Leben voller negativer Muster und Beziehungsprobleme.

Ich möchte die Eltern ermutigen, nicht nur oberflächliche Symptome zu behandeln, sondern die tieferen Ursachen anzugehen. Durch diese Herangehensweise können sie die Grundlage für eine erfolgreiche und erfüllte Zukunft für ihre Kinder schaffen.