Und mit dem Alter kommt nicht die Weisheit

Oft kennt der Mensch die Ursache seiner Probleme im Leben. Paul wußte es auch: „Jedes Mal, wenn ich eine Erektion bekam, fing meine Mutter an, mich zu schlagen. Sie sagte zu mir: Versteck es sofort! Nun, danach hatte ich mein ganzes Leben lang Probleme mit Frauen. Ich habe immer diejenigen ausgewählt, die entweder keinen Sex wollten, kein Interesse hatten oder lesbisch waren. Und wenn mir zufällig eine begegnete, die es wollte, bekam ich Angst und sah sofort eine Falle dahinter.“

Heute ist Paul 58 Jahre alt. Seine Lebensgeschichte verstand er bis ins kleinste Detail. Er weiß genau, warum es für ihn schon immer problematisch war, Beziehungen mit Frauen einzugehen. Er erkannte den Zusammenhang mit seiner Kindheit und dem Verhalten seiner Mutter. Allerdings führte sein Verständnis noch lange nicht zur Veränderung.

Sein Großvater, der Vater seiner Mutter, war ein Frauenheld. Die Mama wollte nicht, dass ihr Sohn genauso wird. Und so dressierte sie ihn seit der Kindheit. Alles von der Hüfte abwärts war verboten. 

Schließlich heiratete Paul. 20 Jahre nach der Hochzeit bekam seine Frau Krebs. Ein komplizierter Verlauf gefolgt von mehreren Operationen, führte schließlich zu einer mehrjährigen häuslichen Pflege.

Pauls unterdrücktes Verlangen nach Sex erlosch nie. Entschlossen bahnte es sich den Weg zur Erfüllung. Was soll er tun, wenn die eigene Frau nicht mehr kann? Scheidung kam nicht in Frage. Und so machten sie einen Deal. Er solle machen, was er wolle, sie aber, will davon nie was erfahren.

Paul machte sich auf die Suche. Er wusste, warum er suchte, und auch, warum er es nicht finden kann. Er verstand seine Muster aus der Kindheit. Ihm war klar, dass es kein Zufall ist, dass die Frau, mit der er mehr als die Hälfte seines Lebens verbracht hatte, keinen Sex mit ihm haben konnte.

Dieses Muster verfolgte ihn sein ganzes Leben: selten bekam er das, was er am meisten verlangte.

Sein Umgang mit Frauen war sehr holprig. Er konnte mit ihnen nie direkt umgehen. Stattdessen ging er immer um den heißen Brei herum, innerlich zerrissen von dem unterdrückten Verlangen. Dieser innere Widerspruch zwischen dem riesigen Sexhunger und der Angst vor Bestrafung machte ihn zu einem Typen, den normale Frauen mieden.

Nun geschah genau das, was seine Mutter fürchtete. Nur ein bisschen anders. Er wurde kein Frauenheld, sondern einFetischist.

Er wusste, dass es so ist, und er wusste auch, warum es so ist. Aber es nützte ihm sowieso nichts. Denn trotzdem konnte er sein ganzes Leben nichts daran ändern.


Wir Menschen lassen uns oft von der Illusion des Wissens verführen und sehen nicht, dass wir Wissen mit Verstehen verwechseln. Und ja, vielleicht haben wir den ersten Schritt in Richtung Veränderung getan, indem wir den Kontext unseres Lebens verstanden haben. Aber Verständnis reicht nicht aus, um nachhaltig etwas zu verändern. Dafür müssen wir unsere Traumata auflösen, Emotionen freilassen, Haltung und Gewohnheiten verändern. Für einige ist es ein Vertrag auf Lebenszeit, für andere eine Frage von wenigen Jahren.

Und wenn wir es nie schaffen? Es spielt keine Rolle. Im besten Fall nehmen wir unsere Traumata mit ins Grab. Im schlimmsten Fall geben wir sie an die nächsten Generationen weiter.

Tatsache ist, dass wir eine Menge Möglichkeiten, wenn wir erst einmal uns und in Folge die nächsten Generationen in eine positive, heilsame Richtung lenken möchten.

Die Welt sieht nicht so aus, weil Menschen rationale Entscheidungen treffen. Die Welt ist so, wie sie ist, weil Menschen ihre Entscheidungen aus den eigenen verborgenen Traumata treffen. Nicht der Mensch regiert die Welt, sondern sein Trauma.

Solange die Menschen ihre Traumata und Generationsübertragungen nicht loswerden, wird sich die Welt nicht ändern. Und so wird der Enkel von Frauenhelden einFetischist, und seine Kinder wieder Frauenhelden… Entscheiden können Sie selbst. Aber erliegen Sie nicht der Illusion des Verstehens. Wirkliche Veränderung kommt nur durch Wissen und eine bewusste Arbeit an sich selbst.

Und bis dahin können Sie sicher sein, dass unsere Geschichten die Generationen nach uns mehr betreffen, als wir denken.

 

Alle Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sind rein zufällig.