Immer häufiger erzählen mir Eltern von Anrufen aus der Schule, Besprechungen mit den Lehrern und der damit einhergehenden Verzweiflung: „Warum hat es mein Kind gemacht? Was ist mit ihm los?“ Sie brauchen Antworten und versuchen die Zusammenhänge zu finden. Meistens treffen sie annahmen, die falsch sind und keine Veränderung herbeirufen.
Was steckt hinter Verhaltensauffälligkeiten und was brauchen wir, um sie zu verstehen und zu lösen?
Ist mein Kind auffällig?
Ein hyperaktives, explosives Kind, das Lehrer beschimpft, aggressiv ist, lügt…
Oder ein selbstunsicheres überängstliches Verhalten des Kindes.
Das Spektrum der Auffälligkeiten ist breit. Die Gemeinsamkeit der Auffälligkeiten liegt darin, dass die Kinder damit ihre eigene Entwicklung einschränken oder ihre Verhaltensweisen zu Konflikten mit ihrer Umwelt führen.
Es ist erwähnenswert, dass den Erwachsenen das Verhalten der Kinder oft auffällig vorkommt, weil es ihren fixen Vorstellungen von NORMALSEIN widerspricht.
Warum wird ein Kind auffällig?
Dem Verhalten der Kinder liegen unterschiedliche Ursache zugrunde.
Um das Kind zu verstehen, ist es gut, wenn wir diese Ursachen kennen.
Bei einem Kind kann ein neurobiologischer Mangel im Gehirn vorliegen.
Ein anderes Kind verhält sich auf ähnliche Art und Weise auffällig, jedoch stellen wir fest, dass es sich um ein erlerntes Verhalten handelt, das von den Eltern kopiert wurde. Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung können gleiche Verhaltensweisen aufzeigen. Genauso wie Kinder mit Gehirnverletzungen, Traumata, Kinder die Missbrauch, Gewalt oder Vernachlässigung erlebten. Aggression, Trotz, Impulsivität, hyperkinetisches Verhalten sind in diesen Fällen ein Abwehrmechanismus – ein Hilferuf.
Bei einem anderen Kind kann eine Anpassungsstörung vorliegen. Seinem explosiven und aggressiven Verhalten liegen wieder andere Ursachen zugrunde. Das Kind könnte zum Beispiel eine sehr ängstliche Mutter haben, die ihr Kind ständig an einer unsichtbaren Nabelschnur hält. Dieses Kind wird folglich zu anderen Kindern freigelassen und kann mit der Situation nicht umgehen. Es geht darin unter und verteidigt sich mit Aggression, Impulsivität und Hyperkinetik.
Beziehungsstörungen führen ebenso häufig zum aggressiven, angreiferischen Verhalten. Das Kind dringt auf eine unangenehme Art und Weise in den Raum anderer ein. Es muss aber keine Verhaltensstörung sein. Vielmehr handelt es sich um eine mangelnde Fähigkeit auf andere Menschen zuzugehen. Vielleicht kennt das Kind keinen anderen Weg, um den Zugang zu anderen Menschen zu finden. Das Kind hat nichts anderes versucht, gesehen, oder aufgrund eigener Einschränkungen verstanden.
Wie werden wir darin schlau?
Verhaltensauffälligkeiten sind oft eine Maske, die die Störungen in der Kommunikation überdeckt. Wenn mit den Kindern niemand zu Hause spricht, sie keinen Raum bekommen, sie nicht die richtigen Fragen gestellt bekommen oder wenn niemand ihre Fragen beantwortet, lernen sie nicht, richtig zu kommunizieren. Auch eine aggressive sowie arrogante Kommunikation in der Familie stört das Kommunikationsbild des Kindes. Die Störungen in der Kommunikation werden folglich als Verhaltensstörungen getarnt.
Die eigene Geschichte ist viel komplexer, als die sichtbaren Anzeichen. Auch deshalb ist es sehr wertvoll, wenn die Eltern Hilfe bei Experten suchen, sobald sie Schwierigkeiten in der Beziehung zu ihrem Kind feststellen oder auffälliges Verhalten des Kindes beobachten. Und sei es nur für präventive Zwecke.
Denn eine Antwort zu bekommen befreit den Verstand von den Sorgen aus der Unsicherheit. Zu wissen was mit dem Kind los ist und warum es sich auf bestimmte Art und Weise verhält gibt den Eltern Klarheit. Folglich können Sie mit der Situation entspannter umgehen. Letztendlich ist eine Verbesserung der Situation in einem bestimmten Rahmen immer möglich.
Um Erfolg zu haben ist es wichtig, die Geschichte der Kinder mit Geduld und Verständnis in seiner Komplexität umzufassen und ihre eigene Wahrnehmung in betracht zu ziehen.