Wann ist das Kind normal? Wofür steht überhaupt der Begriff Normalsein? Dieser Begriff beschreibt das erwünschte Verhalten des Kindes – zuhören, leise sein, im Unterricht nicht malen, zuschauen wenn jemand mit dir redet… Allerdings kennen Kinder die Vorstellungen der Erwachsenen von Normalsein nicht. Und wenn wir ihnen sagen, sie seien nicht normal, glauben sie uns. Leider. Denn die Vorstellung der Erwachsenen für das Normalsein berührt oft auf ihren eigenen unverarbeiteten Traumata aus der Kindheit.

Zu diesem Thema inspirierte mich ein Gespräch, dass ich am Anfang des Schuljahres mit Chris (10) führte. Chris kam in diesem Schuljahr neu in unsere Klasse. Unsere Schule ist eine Förderschule für Kinder mit sozial – emotionalen Schwerpunkt. Ich war neugierig, was er zu erzählen hat. Und so habe ich ihn gefragt:

“Warum bist du zu uns in diese Schule gekommen?”
“Weil ich nicht normal bin.” Antwortete Chris.
“Wer hat es gesagt?”
“Meine Mama.”
“Und denkst du, dass du nicht normal bist?”
“Ja.” 

In dem Gespräch mit Chris habe ich mir gedacht: Er soll nicht mit dem Gedanken weiterleben, dass er nicht normal sei! 

Und da ich weiß, dass die Kinder oft von ihren inneren Tiger beherrscht werden und mit ihm verwechselt werden, habe ich das Gespräch ausgeführt. 

“Was findest du an dir nicht normal?”
“Ich schäme mich.” Sagte Chris.
“Wofür schämst du dich denn?” Fragte ich ihn.
„Für mein Verhalten?”
“Welches Verhalten denn?”
“Ich raste schnell aus und passe im Unterricht nicht auf.”
“Vielleicht hast du nur einen schusseligen Tiger in dir. Du kannst aber deinen Tiger zähmen und ihm ordentliches Verhalten beibringen. Was sagst du?”
“Ja.”
“Also. Bist du normal oder nicht?”
“Ich bin normal.”

Chris wurde in eine Förderschule versetzt, weil er in seiner vorherigen Schule im Unterricht nur malte. Die Erwachsenen konnten sich sein Verhalten nicht erklären. Seine Mama hat ihm als nicht normal bezeichnet. Manchmal unterschätzen die Erwachsenen die Kraft ihrer Wörter. Was wir Kindern sagen, speichern sie in ihrem Inneren und glauben daran. Dabei stimmt es oft nicht. Was sie brauchen ist unsere Unterstützung, damit sie sich akzeptiert fühlen, sich selbst verstehen und lernen, ihr Verhalten bewusst zu steuern. 

Wie können wir die Kinder sinnvoll unterstützen?

Kinder haben immer einen Grund für ihr Verhalten. Im Fall von Chris wäre es zielführend die Ursachen für sein Verhalten zu ergründen. Was gefällt ihm am Malen? Was hat er davon? Wann malt er am liebsten? Über Gespräche können wir ziemlich viele Informationen über die Kinder erfahren. Wichtig ist, dass wir an das Gespräch ohne Wertung herangehen. Zeigen wir Interesse, stellen wir fragen, hören wir zu. Das beste Mittel um den Zugang zum Kind zu bekommen ist das wahre Interesse für sein Inneres.

Kinder sind Menschen wie wir. Auch sie wollen das Geschehen um sie herum verstehen. Sie wollen die Gründe unseres sowie ihres eigenes Verhalten verstehen. Damit sie ihre Zukunft bewusst im Einklang mit sich selbst gestallten können. 

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